PRIDE MONTH 2021

PRIDE

Die etwas andere Doku auf Disney+ Star!

Florian (RainbowMickeyRunner), Hamburg

24. Juni 2021

Disney+ Star betritt mit der sechsteiligen Dokumentarserie PRIDE über den Kampf für LGBTQ+ Bürgerrechte in Amerika ungewohntes Terrain. Ich durfte mir vorab schon einmal einen ersten Eindruck verschaffen und verrate Euch in diesem Blogartikel, was das Star Original so besonders macht und warum sich ein Reinschauen aus meiner Sicht definitiv lohnt.

Schaut man sich im Zuge des diesjährigen Pride Months die aktuelle Situation der LGBTQ+ Community innerhalb unserer Gesellschaft an, so scheint auf den ersten Blick alles in Ordnung und im Großen und Ganzen kein Grund zur Klage. Queere Personen scheinen sichtbarer denn je, voll und ganz in der Mitte der Gesellschaft angekommen und auch größtenteils akzeptiert zu sein: Es gibt regelmäßig Serien und Filme mit LGBTQ+-Figuren und -Inhalten, unzählige Modeunternehmen zeigen sich solidarisch und bieten im Juni ihre eigenen regenbogenfarbenen Pride-Kollektionen an und auch ansonsten scheint es heutzutage gesellschaftlich unproblematischer denn je zu sein, seine Queerness öffentlich auszuleben.

 

Vielleicht wurde ich gerade aufgrund dieser Wahrnehmung in der Vergangenheit immer wieder gefragt, warum wir im Jahre 2021 überhaupt noch so etwas wie einen Christopher Street Day brauchen. Scheint es doch geradezu so, dass die LGBTQ+ Community in Deutschland inzwischen eigentlich alles erreicht hat, um ein unbeschwertes und angstfreies Leben zu führen: die Abschaffung des Paragrafen 175, der Homosexualität noch bis ins Jahr 1994 unter Strafe stellte, die Einführung der eingetragenen Lebensgemeinschaft im Jahre 2001 und die spätere Umwandlung in die  „Ehe für alle“ im Jahr 2017 sowie die Möglichkeit, seit 2019 den Geschlechtseintrag „divers“ im deutschen Personenstandsregister vornehmen lassen zu können. 

 

Doch der schöne Schein trügt! Wie wir gerade erst nur allzu deutlich am Beispiel von Ungarns neuem Gesetz zu sexuellen Minderheiten und der dadurch entflammten Debatte über die Illumination des Münchner Fußballstadions in Regenbogenfarben gesehen haben, sind sexuelle Orientierungen „abseits der Norm“ noch lange nicht gesamtgesellschaftlich akzeptiert und allzu schnell können Errungenschaften und positive Entwicklungen vergangener Jahre auch wieder zurückgedreht und den betreffenden Personen aberkannt werden.

 

Und so war auch der Kampf um die LGBTQ+ Bürgerrechte in Amerika nie ein geradliniger Weg. Auch die dortige queere Community hatte mit Diskriminierung, Benachteiligung und sogar Verfolgung aufgrund sexueller Orientierung oder Identität zu kämpfen. Sei es durch bürokratische Hindernisse, Ablehnung im Alltag oder sogar gewaltsame Übergriffe. Dies wollte man irgendwann nicht länger hinnehmen, ging in den Widerstand und legte dadurch den Grundstein für die moderne LGBTQ+ Bewegung in den USA, wovon die ab 25. Juni auf Disney+ Star verfügbare Dokumentation PRIDE nun sehr bewegend und äußerst eindrucksvoll erzählt.

© Disney

„Revolutionen müssen von Generation zu Generation weitergeführt werden!“ (Jewelle Gomez)

 

Die sechsteilige Serie spannt dabei einen großen Bogen von den 1950er Jahren bis in unsere heutige Zeit und gewährt durch eine spannende Mischung von Archivmaterial, Zeitzeugenberichten, Interviews sowie nachgestellten Szenen und Animationsclips einen ausführlichen Einblick in die bewegte Befreiungsgeschichte der amerikanischen LGBTQ+ Community. Jede Episode beleuchtet hierfür ein anderes Jahrzehnt und stellt von der Überwachung Homosexueller durch das FBI über die AIDS-Krise in den 80er und 90er Jahren bis hin zum Kampf um die Gleichstellung der Ehe ganz unterschiedliche Themen, Probleme, Hürden und Wendungen in den Mittelpunkt. 

 

Die einzelnen Folgen sind dabei so reich an Informationen, persönlichen Geschichten und Erlebnissen, dass es fast schwer fällt, einzelnes genauer hervorzuheben. Und dennoch gibt es immer wieder bestimmte Personen und Augenblicke, die zumindest mir als Zuschauer nachdrücklich im Gedächtnis geblieben sind. So zum Beispiel der schwule Videofilmer Nelson Sullivan, der durch mehrere hundert Stunden Filmmaterial die Tragödie der Aids-Krise in New York in den 80er Jahren dokumentierte und damit wohl als einer der weltweit ersten Vlogger gelten dürfte. Oder der afroamerikanische und offen schwule Anwalt Bayard Rustin, der eine treibende Kraft bei der Bürgerrechtsbewegung um Martin Luther King Jr. in den 60er Jahren war und dadurch auch den späteren Kampf um die LGBTQ+ Bürgerrechte entschieden vorantrieb. Aber auch die transsexuelle Autorin und Aktivistin Ceyenne Doroshow, die sich seit mehr als 30 Jahren für die Community engagiert und mit ihrer Organisation G.L.I.T.S. (Gays and Lesbians living in a Transgender Society) queeren Personen, die durch ihre sexuelle Orientierung oder Identität ihre Arbeit verloren, obdachlos oder Opfer von Gewalt wurden, einen Weg in eine neue, bessere Zukunft ermöglicht.

 

Mit jeder Erzählung und persönlichen Erfahrung wird dabei deutlich, dass es vor allem die vielen unterschiedlichen Persönlichkeiten aus dem ganzen LGBTQ+ Spektrum waren, die die queere Widerstandsbewegung so einzigartig und besonders gemacht haben: sie waren es, die sich nicht mehr mit Verfolgung, Unterdrückung & Diskriminierung abfinden wollten und deshalb immer wieder – Jahrzehnt um Jahrzehnt – den Mut aufbrachten, im Rahmen von Protestzügen, privaten Initiativen oder auch kreativen Ausdrucksmitteln wie Literatur, Film oder Fotografie auf die immer noch bestehenden Ungerechtigkeiten und Missstände in der Gesellschaft hinzuweisen.

 

Und so besticht PRIDE aus meiner Sicht vor allem auch durch die Vielzahl an Zeitzeugen, die durch ihre häufig sehr persönlichen Erlebnis- und Erfahrungsberichte den oft sehr steinigen Weg zu einer offeneren und toleranten Gesellschaft unmittelbar erleb- und nachvollziehbar machen. Einzelne Aussagen wie „Silence equals death!“ (deutsch: „Schweigen bedeutet den Tod!“), „Closets were vertical coffins“ (deutsch: „Wer im Schrank blieb – also: ungeoutet war (Anm. d. Autors) – lebte praktisch in einem aufrecht stehenden Sarg.) oder auch „We didn’t know we were making history!“ (deutsch: „Wir wussten nicht, dass wir da gerade Geschichte schrieben!“) sind mir dabei noch lange nachgegangen, haben mich teils erschüttert, bewegt und dann aber auch immer wieder nachhaltig beeindruckt.

© Disney

Sicher nicht für jeden etwas, aber dennoch
eindrucksvoll & sehenswert

Einige von Euch werden sich beim Lesen dieses Artikels an dieser Stelle nun vielleicht fragen, was PRIDE denn überhaupt mit Disney zu tun hat… und ich möchte gar nicht groß drumherum reden: einen direkten Disney-Bezug gibt es in diesem Fall tatsächlich überhaupt nicht. Außer die Tatsache, dass die Dokumentarserie auf der hauseigenen Streamingplattform Disney+  (beziehungsweise – um genauer zu sein – auf dessen Erweiterung Disney+ Star) erschienen ist. 

Nichtsdestotrotz finde ich die Veröffentlichung von PRIDE unglaublich wichtig und auch durchaus bemerkenswert für Disney, zeigt sie doch, dass man sich seitens des Unternehmens nicht scheut, die Vielfalt unserer Gesellschaft auch durch solche dokumentarischen Formate näher zu beleuchten und damit selbstverständlich auch einen gewissen Bildungsauftrag erfüllt.

Nachdem ich zunächst etwas irritiert war, dass jede Folge eine andere Bildsprache, Erzählweise und Ästhetik aufwies, wurde mir erst später bewusst, dass dies vor allem dem Umstand geschuldet ist, dass jede Ära durch eine*n andere*n Regisseur*in beleuchtet wird. Dies trägt bei genauerer Betrachtung jedoch auch dazu bei, dass das Star Original die Geschichte der LGBTQ+ Community auf bemerkenswert vielfältige und diverse Art und Weise beleuchtet und dadurch wirklich die ganze Bandbreite queerer Geschichte auslotet. So kommen nicht nur schwule oder lesbische Menschen zu Wort, auch die Trans-Community kann ihre ganz persönliche Perspektive der Geschichte schildern. Und so erfahren wir als Zuschauer*innen, wie sehr nicht zuletzt auch der tragische Tod von George Floyd im Mai 2020 und die damit einhergehenden Proteste unter dem Motto Black Lives Matter auch schwarzen Trans-Personen – insbesondere Trans-Frauen – dazu ermutigten, auch ihren eigenen Beitrag zu den Protestaktionen beizutragen. Dies führte schließlich am 14. Juni 2020 in New York zum Brooklyn Liberation March, bei dem über 15.000 Teilnehmer*innen unter dem Motto Black Trans Lives Matter auch auf die Diskriminierung schwarzer Trans-Menschen aufmerksam machten.

Sicher habt Ihr beim Lesen dieses Artikels schon gemerkt: PRIDE ist nicht unbedingt die leichte Unterhaltung für einen lauen Sommerabend, die mancher von uns wohl sonst so von Disney+ gewohnt ist. Nichtsdestotrotz möchte ich Euch die Dokumentarserie wirklich sehr ans Herz legen! Für alle, die queere Menschen in ihrem direkten Umfeld haben, sich ein wenig weiterbilden möchten oder sich dafür interessieren, welchen politischen und auch historischen Hintergrund die unzähligen Christopher Street Day-Paraden in deutschen Städten eigentlich haben – ist das Star Original PRIDE genau das Richtige. Dabei muss man die Serie auch gar nicht zwangsläufig komplett oder gar chronologisch schauen. Da jede Episode in sich abgeschlossen ist, ein anderes Jahrzehnt und damit auch andere Thematiken behandelt, kann man auch sehr gut einfach mal in eine einzelne Folge hineinschauen, um herauszufinden, ob die Serie etwas für einen ist. Mein persönlicher Tipp wäre dabei übrigens, mit der letzten Folge zu beginnen, da sie zeitlich gesehen am nächsten an unserer heutigen Realität dran ist und die meisten Zuschauer*innen durch ihre Aktualität deshalb wohl am besten abholt.

© Disney

Mein persönliches Fazit

Um es kurz zu machen: Ich war und bin von PRIDE wirklich schwer begeistert und werde in einzelne Folgen in nächster Zeit sicher noch das ein oder andere Mal hineinschauen. Durch die Vielzahl behandelter Themen, Ereignisse und Erfahrungsberichte entfaltet sich für interessierte Zuschauer*innen meines Erachtens nach ein wirklich eindrucksvolles, vielfältiges, authentisches und dabei an einzelnen Stellen immer wieder auch sehr zu Herzen gehendes Bild queerer Emanzipationsgeschichte. Durch die zahlreichen Protagonisten erfahren wir neben den historischen Einblicken dabei immer wieder auch etwas über das tägliche Zusammenleben der LGBTQ+ Community, die als gelebte Gemeinschaft für viele nicht selten zum Familienersatz wird, in der jeder und jede seinen eigenen Platz und Zufluchtsort finden kann, um auf dem manchmal nicht ganz einfachen Weg in ein offenes, queeres Leben nicht nur beschützt, sondern immer auch begleitet zu werden.

PRIDE ist deshalb aus meiner Sicht auch mehr als nur eine queere Geschichtsdoku. Die Serie ist für mich Anerkennung, Mahnung und Ermunterung zugleich: Dass wir schätzen lernen, was bereits für uns erreicht wurde. Wie wir dafür sorgen können, diese Errungenschaften weiter zu schützen und zu bewahren. Und warum es auch heute immer noch so wichtig ist, den Kampf für eine offene und vielfältige Gesellschaft niemals aus den Augen zu verlieren und weiter voranzutreiben. Deshalb bekommt PRIDE von mir auch statt einer Sternebewertung schlicht und ergreifend das Prädikat Besonders wertvoll.

Und sollte ich mit diesem Blogartikel nun auch Euch ein wenig Lust gemacht haben, mal in die Serie hineinzuschauen, freue ich mich natürlich wie immer zu hören, was denn Euer individueller Eindruck ist. Hinterlasst also gerne einen Kommentar oder schreibt mir auch gerne eine Nachricht! Ich freue mich immer von Euch zu hören!

Für heute wünsche ich Euch noch einen schönen Tag und denkt immer daran: Obwohl der Pride Month sich in diesem Jahr so langsam dem Ende nähert, sollten wir niemals vergessen, dass Diversität, Akzeptanz und Toleranz etwas ist, an dem wir alle gemeinsam an 365 Tagen des Jahres miteinander arbeiten sollten, denn – wie es so schön auf einem Plakat während eines Pride-Marsches in den 80er Jahren hieß: EVERY DAY IS GAY PRIDE DAY! 

In diesem Sinne: Be loud and proud – always!

Euer RainbowMickeyRunner

Florian

1 Kommentar

  1. Steffen Liebschner

    Hallo Florian,

    vielen Dank für die ausführliche Rezension und Empfehlung. 🙂

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