Diversity bei Disney im Jahr 2020

Diversity bei Disney im Jahr 2020

PRIDE MONTH SPECIAL

Diversity bei Disney im Jahr 2020

Eine persönliche Bestandsaufnahme

Florian (RainbowMickeyRunner), Hamburg

28. Juni 2020

Heute vor genau 50 Jahren fand in New York die erste Pride-Parade statt, um für die Rechte von  Lesben, Schwulen, Bisexuellen und Transgender-Personen zu kämpfen, sowie auf deren Diskriminierung und Ausgrenzung aufmerksam zu machen. Ein Grund für mich, mal genauer zu schauen, wie es denn bei Disney mit den Themen Toleranz & Vielfalt aussieht.

Als sich in der Nacht zum 28. Juni 1969 bei einer Razzia der Polizei im Stonewall Inn – einer Bar in der New Yorker Christopher Street – das vor allem homo- und transsexuelle Publikum das erste Mal signifikant und in großer Zahl zur Wehr setze, ahnte wohl noch niemand, dass dies einmal der entscheidende Wendepunkt der Lesben- und Schwulenbewegung in ihrem Kampf für Gleichbehandlung und Anerkennung sein würde. Galt Homosexualität damals noch als „anstößig“ oder auch „Erregung öffentlichen Ärgernisses“ und wurden Besucher einschlägiger Etablissements in der Folge von Razzien gerne öffentlich zwangsgeoutet und damit diffamiert, setzte man sich in dieser Nacht das erste Mal entschlossen und mutig gegen diese andauernde Gängelung zur Wehr. In der Folge der nächsten Jahre entstand daraus die erste Christopher Street Parade, die schließlich den Monat Juni zum sogenannten Pride Month werden ließ, um auch bis heute immer wieder auf die Probleme und Diskriminierungen aufmerksam zu machen, denen viele queere Personen immer noch regelmäßig ausgesetzt sind.

Deshalb war auch der 1. Juni 2019 für viele Disney-Fans aus der LGBTQIA+ Community ein besonderer Augenblick. Denn an diesem Tag fand im Disneyland Paris der Magical Pride statt, das erste von Disney selber organisierte und veranstaltete Event zum Thema Toleranz, Akzeptanz und Vielfalt, welches auch für mich ganz persönlich eines der Highlights des vergangenen Jahres war.

Zwar gibt es bereits seit 1991 auch in Orlando jedes Jahr am ersten Samstag im Juni die sogenannten Gay Days, an denen sich Schwule, Lesben, Bisexuelle & Transgender mit ihren Familien und Freunden in den dortigen Themenparks treffen und durch das Tragen von roten T-Shirts auf sich aufmerksam machen. Allerdings hat Disney offiziell nichts mit dieser Veranstaltung zu tun und beschränkt sich lediglich darauf, im Rahmen ihrer jährlich erscheinenden Disney Rainbow Collection die passenden Merchandise-Artikel hierfür zur Verfügung zu stellen.

Dementsprechend wegweisend war auch der Schritt, in Paris im vergangenen Jahr nun ein gänzlich eigenes Pride-Event auf die Beine zu stellen, das ab dem kommenden Jahr sogar in den großen Hauptpark umziehen wird, um am 12. Juni 2021 noch mehr Gästen die Möglichkeit zu geben, gemeinsam unter dem Regenbogen zu feiern.

© Sascha Meyer
© Disney

World Showcase & Castmember-Vielfalt in Orlando

Doch gerade in Zeiten wie diesen sollten wir während des Pride Month auch einen Blick darauf werfen, dass Vielfalt sich nicht nur auf die sexuelle Orientierung oder das Geschlecht beschränkt, sondern genauso die Hautfarbe oder Nationalität, die Religion, das Alter oder die physische Gesundheit mit einschließt.

Gerade, da ich erst im Februar dieses Jahres meinen ersten Aufenthalt im Walt Disney World in Orlando verbracht habe, musste ich dieser Tage immer wieder an einige Erlebnisse und Erfahrungen während dieses Besuches denken.

So habe ich z.B. in einem Shop oder auch an einzelnen PhotoPoints Castmember mit physischen Handicaps erlebt, die im Rollstuhl saßen. Für mich ein schönes Zeichen dafür, dass auch diese Menschen bei Disney willkommen sind und genauso zur Magie der Gäste beitragen können, wie ihre anderen Kolleginnen und Kollegen.

Und natürlich muss in diesem Zusammenhang auch der World Showcase in Epcot, bei der insgesamt elf Länder in landestypischen Pavillons sowohl ihre individuellen kulinarischen Highlights vorstellen, aber eben auch über ihre jeweiligen Kulturen und Geschichten informieren, erwähnt werden. Die dortigen Castmember stammen übrigens alle aus den unterschiedlichen Ländern und werden im Rahmen des Cultural Representative Program extra dafür rekrutiert. Mehr kulturelle Authentizität geht wahrlich nicht.

© Florian Ahlborn

It’s a small world after all…

Doch wir müssen gar nicht erst nach Orlando reisen, um uns durch Disney die Vielfalt unserer Welt ganz unmittelbar vor Augen führen zu lassen. Denn auch im Disneyland Paris erwartet uns mit it’s a small world eine Attraktion, die uns auf verspielte Art und Weise die unterschiedlichsten Kulturen erleben lässt

Ursprünglich von Walt Disney und seinen Imagineers für die Weltausstellung 1964 & 1965 in New York geschaffen, lädt die Bootsfahrt zum Entdecken von Kulturen unterschiedlicher Länder und Regionen der Welt ein. Der Song, der dabei in den unterschiedlichen Sprachen der jeweils vorbeiziehenden Länder erklingt, verdeutlicht dabei noch einmal die Gemeinsamkeit und Harmonie zwischen ihnen allen und im großen Finale der Attraktion, in dem alle Nationalitäten noch einmal gemeinsam zu erleben sind, zeigt sich noch mal eindrücklich, dass wir trotz unterschiedlichen Aussehens dennoch im Grunde alle gleich sind.

© Florian Ahlborn
© Florian Ahlborn

Disney wird multikultureller und stellt sich seiner Geschichte

Und wie sieht es mit dem Thema Diversität in den Filmen von Disney, Pixar & Co. aus? Das beste Beispiel sind hier wohl die Prinzessinnen. Waren diese in den frühen Filmen stets europäische Frauentypen mit weißer Hautfarbe, änderte sich das im Jahr 1992 mit Prinzessin Jasmin im Film Aladdin und Disney begann, diesbezüglich offener und multikultureller zu werden.

Es folgten Pocahontas sowie Mulan – und mit Tiana aus Küss den Frosch! sogar die erste afrikanisch-amerikanische Prinzessin in der Geschichte des Unternehmens. Diese wird im Rahmen der gerade neu angekündigten Re-Thematisierung von Splash Mountain in Anaheim und Orlando nun sogar ihre eigene Attraktion erhalten – ein aus meiner Sicht richtiger und auch wichtiger Schritt Disneys, um die afroamerikanische Bevölkerungsschicht innerhalb der Disney Parks adäquater zu repräsentieren. Bisher waren in dieser Attraktion nämlich Figuren aus dem problematischen Film Song of the South (dt. Onkel Remus‘ Wunderland) zu sehen. Dieser löste bereits bei seiner Veröffentlichung 1946 zahlreiche Kontroversen und Proteste aus. Viele Kritiker warfen dem Film vor, durch seine Art und Darstellung das Thema der Sklaverei zu verharmlosen oder gar zu verherrlichen. Aus diesem Grund wurde der Film auch seit 1986 nicht mehr in den Kinos gezeigt und ist weder als VHS oder DVD erhältlich noch auf dem Streamingdienst Disney+ verfügbar. Im Zuge der derzeitigen Black Lives Matter-Bewegung ist eine Re-Thematisierung also in meinen Augen absolut nachvollziehbar und wohl auch schon lange überfällig.

© Disney

Die neue Generation der Disney Prinzessinnen

Doch auch generell zeigt sich aus meiner Sicht, dass Disney sich – wenn auch nur schrittweise, aber zumindest kontinuierlich – dem Thema Vielfalt annimmt.

So erleben wir in den letzten Jahren eine spürbare Emanzipation bei den verschiedenen Prinzessinnen, wenn wir z.B. an Elsa aus Frozen oder auch Jasmin in der Realverfilmung von Aladdin denken.

Gerade durch den neuen Song Speechless und einzelne neue Dialoge hat diese Figur noch einmal spürbar an Tiefgang und Charakterstärke gewonnen und stellt für mich einen neuen Frauentypus innerhalb des Disney-Universums dar.

Darüber hinaus wird hier aus meiner Sicht in einer immer noch sehr stark von Männern dominierten Welt auch ein weiteres, wichtiges Signal an junge Mädchen und Frauen gesendet, nämlich: „Vertrau auf deine innere Stimme und erlaube Dir, große Träume zu haben!“

Übrigens gab es im Jahr 2018 auch ganz offiziell eine Kampagne mit dem Titel Glaub an Dich, Prinzessin (engl. Dream Big, Princess). Hierzu gibt es auch eine Videoreihe, bei der junge Mädchen auf Frauen wie die Mary Poppins-Darstellerin Emily Blunt oder die Star Wars-Produzentin Kathleen Kennedy treffen, die ihnen von ihrem Werdegang, ihren Erfolgen, aber auch ihren größten Hindernissen auf ihrem bisherigen Lebensweg erzählen. Wenn Ihr mehr dazu erfahren wollt, dann folgt am Besten einmal diesem Link.

© Disney PhotoPass
© Disney PhotoPass

Und es tut sich doch was…

Trotz all dieser positiven Entwicklungen gibt es natürlich auch bei Disney immer noch Spielraum für Verbesserung in Bezug auf das Thema Diversität. Viele warten z.B. immer noch auf die erste offene LGBTQ-Hauptfigur in einem Disneyfilm.

Zwar können wir hier in der jüngsten Vergangenheit mit LeFou, der in der neuen Realverfilmung von Die Schöne und das Biest in einer Szene kurz mit einem Mann tanzend zu sehen ist, sowie mit der Polizistin Specter im neuesten Pixar-Animationsfilm Onward: Keine halben Sachen, die ganz natürlich im Rahmen eines kurzen Dialogs von der „Tochter ihrer Freundin“ spricht, erste Ansätze hierfür sehen. Einigen geht das indes aber noch nicht weit genug.

Ich für meinen Teil bin eigentlich ganz froh darüber, dass Disney Themen wie Regenbogenfamilien eher unaufgeregt und fast schon selbstverständlich in seine Storylines integriert, denn dadurch werden sie präsent, ohne jedoch zum Problem hochstilisiert zu werden.

Und wer übrigens genau hinschaut, kann auch in A Toy Story: Alles hört auf kein Kommando während Bonnies erstem Tag in der Vorschule ein gleichgeschlechtliches Elternpaar entdecken!

© Disney / Pixar

We’re all in this together…

Ich möchte diesen Artikel mit einer letzten Episode schließen, die mir in den vergangenen Tagen immer wieder durch den Kopf gegangen ist – gerade im Hinblick auf das Thema Black Lives Matter.

Ziemlich genau vor einem Jahr, Anfang Juli, gab Disney bekannt, dass für die neue Realverfilmung von Arielle, die kleine Meerjungfrau die afroamerikanische Sängerin Halle Bailey die weibliche Hauptrolle übernehmen wird.

Damals ging ein Schrei der Entrüstung durch große Teile der Disney-Community. Viele empfanden diese Entscheidung als Fehlbesetzung und es wurden sogar Petionen ins Leben gerufen, um Disney dazu zu bringen, ihre Entscheidung zu widerrufen – selbstverständlich ohne Erfolg.

In vielen Kommentaren oder Forenbeiträgen war zu lesen, dass für viele Arielle eben eine weiße Prinzessin mit roten Haaren sei oder dadurch ja auch ein bestimmter Typus an Mädchen repräsentiert würde, der ansonsten unter den Disney Prinzessinnen nicht mehr abgedeckt sei.

Ich teile diese Meinung nicht, da es mit  Merida und Anna von Arendelle gleich zwei weitere – und noch darüber hinaus sehr unterschiedliche – Prinzessinnen mit diesem Merkmal gibt.

Da ich ohnehin glaube, dass alles im Leben nicht ohne Grund geschieht, bin ich inzwischen der festen Überzeugung, dass die Besetzung von Arielle mit Halle Bailey rückblickend vielleicht sogar einer der wichtigsten Schritte war, den Disney in Bezug auf Vielfalt und Akzeptanz gegangen ist. Denn damit trauen sie uns – den Fans und Liebhabern ihrer Filme, Parks und Merchandiseartikeln – zu, dass nicht nur sie als Unternehmen sich in Bezug auf diese Themen weiterentwickeln, sondern dass auch wir unseren Teil dazu beitragen und uns von der ein oder anderen liebgewonnenen Sehgewohnheit verabschieden müssen.

Und vielleicht gilt gerade deshalb ein Zitat aus Pocahontas heute mehr als je zuvor, wo es heißt:

Für dich sind echte Menschen nur die Menschen,
die so denken und so aussehen wie du.
Doch folge nur den Spuren eines Fremden,
dann verstehst du und du lernst noch was dazu. 

Lasst uns in diesem Sinne gemeinsam alle durch die Veränderung unserer Sichtweisen, unserer Haltungen und damit einhergehenden Handlungen dazu beitragen, Schritt für Schritt eine offenere und tolerante Gesellschaft zu werden. Wenn nicht wir als Disney-Community hierfür den ersten Schritt machen könnten, wer dann?

In diesem Sinne: Happy Pride!

Euer RainbowMickeyRunner

Florian